Die Reise in die Vergangenheit von Alfred Kühn – Kapitel 4

Alfred Kühn travailleur libre en 1947

Es entwickelt sich eine leidenschaftliche Liebesbeziehung zwischen dem Kriegsgefangenen Alfred Kühn und der Tochter von Herrn Brangier.

 Hier ein Foto aus dem Jahr 1947. Mein Vater und die Tochter von Herrn Brangier (die meine Mutter wird) schneiden Schinken.

Die Liebesbeziehung der beiden jungen Leute hat Folgen: am 20. Januar 1948 schenkt die Tochter von Herrn Brangier einem Jungen das Leben. Das Kind bekommt den Namen Manfred René Brangier. Dieses Kind bin ich, ein Nachkriegskind. Mein Geburtsname ist Brangier, da zum Zeitpunkt meiner Geburt meine Eltern noch nicht verheiratet waren. Sie holen das nach und heiraten am 18. Februar 1948 im Rathaus von Berneuil. Seit diesem Datum trage ich den Namen Kühn.

Fam Kühn 1948 Barabo

Nach diesen Ereignissen arbeitete mein Vater vom 15. Mai 1948 bis zum 15. September 1948 als sogenannter „Freier Arbeiter“ bei der Familie Pondarré in der Landgemeinde Condéon (Dept. Charente). Zu dieser Zeit hatten ehemalige deutsche Kriegsgefangene, die zwei Jahre lang eine Arbeit als „Freier Arbeiter“ abgeleistet hatten, das Recht, nach Deutschland zurückzukehren. Dabei übernahm der franz. Staat die Kosten für die Aufwendungen, die die deutschen Kriegsgefangen hatten, um ihre Familie wieder zu finden und zurückzukehren.

Certificat justificatif

Beiliegend die Kopie einer Bescheinigung, dass mein Vater die geforderte Zeit von 2 Jahren abgeleistet hatte und nach Deutschland zurückkehren durfte, um seine Familie zu suchen.

Im September 1948 machte sich mein Vater auf den Weg nach Deutschland. Aber was für ein Abenteuer war das damals! „Der deutsche Kriegsgefangene kehrt nach Deutschland zurück und läßt eine junge Französin mit einem Kind in der Charente zurück!“ Das ganze Dorf war überzeugt, dass er nicht wieder zu seiner jungen Familie zurückkehren würde.

Seine Heimatstadt Leipzig war von den Kriegseinwirkungen völlig zerstört und lag zudem in der sowjetisch besetzten Zone. Eine Rückkehr dorthin war sehr schwierig, ja praktisch unmöglich. Daher besuchte mein Vater die Familie HASEBRINK in Stuttgart. Der Sohn der Familie HASEBRINK war ebenfalls Funker wie mein Vater und war auf dem Schiff der beste Freund meines Vaters: als in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1944 ihr Schiff von dem Zerstörer “Haida” angegriffen und die Funkkabine von einem Granatentreffer völlig zerfetzt wurde starb sein Kamerad direkt neben ihm.

Von dieser Granate wurde mein Vater schwer verwundet und es verblieben Granatsplitter in seinem ganzen Körper.

Nach der Reise nach Stuttgart kehrte mein Vater wieder zurück in die Charente zu seiner Frau und seinem kleinen Jungen, die in dem Weiler Barabeau in Berneuil geblieben waren.

Da er kein Landwirt war, war es für meinen Vater schwierig auf dem Bauernhof zu bleiben und die junge Familie zu ernähren.

Zu Beginn des Krieges, von 1939 bis 1940, waren deutsche Flüchtlinge von der oberen Mosel, die Familien Kihl und Weyland aus Metzing bei meinen Großeltern Brangier untergebracht worden. Unter den Flüchtlingen in den umliegenden Dörfern befand sich ein Mann, der vor dem Krieg bei der H.B.L. (Houillères du Bassin de Lorraine) als Direktor gearbeitet hatte. Von diesem Bekannten bekam mein Vater die Information, dass in den Kohlebergwerken im Departement Moselle Arbeiter gesucht wurden. Dorthin zu gehen war seine Chance! Aber wie sollte das gehen mit einer Frau und einem kleinen Kind? Meine Mutter und mein Vater besprachen sich und trafen gemeinsam die schmerzhafte Entscheidung, dass mein Vater zunächst alleine auf Arbeitssuche gehen sollte.

Am 1. Oktober 1948 kam er in Merlebach an. Zu diesem Zeitpunkt waren in den Gruben große Streiks im Gange: Es gab keine Arbeit! Durch deutsche Freunde, die er vor Ort kennenlernte, konnte er in der Kantine essen und in den Schlafsälen der H.B.L. in der Bois-Richard-Siedlung in L’Hôpital schlafen (L’Hôpital ist kein Krankenhaus, sondern der Name eines  Ortes in der Nähe von Merlebach).

Und dann klappte es doch noch: Am 23. Oktober 1948 wurde mein Vater in den Kohlebergwerken von Merlebach eingestellt!

The Journey into the Past of Alfred Kühn – Chapter 4

Alfred Kühn travailleur libre en 1947

A love and passion relationship is born between the prisoner Kühn Alfred and the daughter of Mr. Brangier.

A passionate love affair is developed between the prisoner Kühn Alfred and Mr. Brangier’s daughter. Here is a photo taken in 1947. My father and Mr Brangier’s daughter (who will become my mother) are cutting hams in 1947.

A boy is born on January 20, 1948. I am named Brangier Manfred René. I am one of the post-war children. I do not bear the name of Kühn because my parents are not married. They were united at the town hall of Berneuil on February 18, 1948, and it is from this date on that I bear the name of Kühn.

Fam Kühn 1948 Barabo

After all these events, my father went to work as a free worker in the Pondarré family in the Terron Commune of Condéon (Charente), from May 15, 1948 to September 15, 1948. At that time, German free workers who could justify two years of work had the right to return to Germany with all expenses paid to find their family.

Certificat justificatif

Enclosed is a copy of a certificate proving a period of work which contributed to my father’s return to Germany so that he could see his family again.

 

In September 1948, my father returned to Germany. What an adventure it was at the time! “The German prisoner returned to Germany, leaving a young French woman with a child in Charente! “

The whole village is convinced that he won’t return.

Unable to enter Leipzig because the city was destroyed and closed, he went to see the HASEBRINK family in Stuttgart, a family whose son, my father’s best friend, was killed next to him when their ship was attacked on the night of April 25-26, 1944, by the destroyer “Haida”. A shell had damaged the radio cabin.

It was in that attack that my father was wounded and that he kept shell fragments in his body.

After this stay in Germany, my father returned to Barabeau commune of Berneuil and reunited with his wife and his little boy. However he was not able to stay with his family and, what’s more, he was not a farmer.

At the beginning of the war, Moselle refugees, the Kihl family and the Weyland family from Metzing, had been welcomed in Charente by the Brangier family, my grandparents, from 1939 to 1940. Among the refugees in the surrounding villages one, before the war, worked as one of the directors of the H.B.L. (Houillères du Bassin de Lorraine). It was through this relationship that my father was informed that there was work in the coal mines in Moselle. We had to leave! But what to do with a wife and a child? By mutual agreement with my mother, my father made the painful decision to leave alone, first, to find work. He arrived in Merlebach on October 1, 1948, but the large strikes of 1948 were on. No work! But, through German friends he met on the spot, he was able to eat in the canteen and sleep in the dormitories of the H.B.L. in the Bois Richard housing estate, at L’Hôpital (L’Hôpital is not a hospital establishment but it is the name of a town near Merlebach).

He was then hired in the coal mines of Merlebach on October 23, 1948.

To be continued…